Ich vertrete seit Jahren Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sowie Pilotinnen und Piloten aber auch Passagiere, wenn sie durch einen (oder mehrere) sog. Fume-Events geschädigt werden.
Aber was ist eigentlich ein Fume-Event?
Von einem Fume-Event spricht man, wenn kontaminierte Luft in die Kabine eines Verkehrsflugzeuges gelangt.
Das Problem, das hinter dem Gestank steckt, ist in der Branche lange bekannt. Das Problem liegt darin, dass die Atemluft für die Crew und die Passagiere direkt an den Triebwerken entnommen wird und dann ungefiltert in die Kabine geleitet wird.
Dieses Konstruktionsprinzip wird als Zapfluftsystem (engl. „bleed-air“) bezeichnet. Problematisch ist dabei, wenn Öl oder Hydraulikflüssigkeitsrückstände durch die Dichtungen entweichen und sich in den Triebwerken erhitzen und als Dampf in die Atemluft der Kabine entweichen.
In diesem chemischen Cocktail stecken auch Organophosphate, also Nervengifte. Sie wurden schon seit 1948 den neuen und speziell entwickelten vollsynthetischen Ölen beigemischt und zur Verwendung in Düsentriebwerken zugelassen. Die Rezeptur dieser Öle garantiert optimale Eigenschaften, gerade für die extremen Betriebsbedingungen im Inneren einer Turbine. Doch zu diesem Zeitpunkt dachte noch niemand daran, dass 1955 zivile Flugzeugbauer die Zapfluft-Technologie entdecken. Zuvor wurden auch in Düsenjets die Kabinen durch das sog. Stauluft-System (engl. „ram-air“) mit Frischluft versorgt. Hierbei wird die Luft am Rumpf abgenommen und durch einen zusätzlichen Kompressor verdichtet. Verunreinigungen der Atemluft durch das Triebwerk sind so ausgeschlossen. Dieses System hatte jedoch den Nachteil, dass die Luft in großer Höhe komprimiert und erwärmt werden musste und der Kompressor viel Platz und Gewicht kostete. Diesen Platz und das Gewicht sparte man bei dem Zapfluftverfahren ein.
Die Standards für die Öle wurden übrigens nie angepasst. Noch heute enthalten die Triebwerksöle und Hydraulikflüssigkeiten Organophosphate.
Nach und nach stellten sämtliche Flugzeughersteller auf das Zapfluftsystem um. Jahrzehntelang war es alternativlos, bis Boeing 2011 seinen Dreamliner (Boeing 787) ausschließlich mit dem Stauluft-System auf den Markt brachte.
Schon seit Jahrzehnten stehen die in der Airline-Branche oft auch verharmlosend als „Geruchsvorfälle“ genannten Ereignisse im Verdacht, schwerwiegende Gesundheitsschäden verursachen zu können. Doch Flugzeughersteller, Airlines und Aufsichtsbehörden bestreiten dies immer wieder.
Boeing hat einem Artikel der Welt vom 29.07.2014 von Per Hinrichs und Tim van Beveren zufolge bereits 2007 beobachtet, dass solche Vorfälle auf bestimmten Flugzeugmustern alle zwei Wochen vorkommen können. Als besonders auffällig wurde dabei die Boeing 757 mit Rolls-Royce-Triebwerken vom Typ RB 211 eingestuft.
Aber auch andere Stoffe stehen im Verdacht: So kann auch Enteisungsflüssigkeit über das Hilfstriebwerk (APU) in die Klimaanlage der Maschine gelangen - jedenfalls, wenn die Flugzeuge im Winter enteist werden und die Flüssigkeit dort hineingelangt, was immer mal wieder geschieht. Die an sich als harmlos geltende Flüssigkeit verändert sich aber chemisch bei der Erhitzung auf über 400 Grad ebenfalls und es entstehen Stoffe, die eben nicht mehr so harmlos sind und die Gesundheit der Menschen an Bord eines Flugzeuges erheblich schädigen können.
Wen kann es treffen?
Grundsätzlich kann jeder, der während eines solchen Vorfalles an Bord eines Flugzeuges von der kontaminierten Kabinenluft geschädigt werden.
Betroffen sind also auch Passagiere!
Gravierender ist es allerdings, wenn man immer wieder (auch kleineren) Mengen an Schadstoffen ausgesetzt ist. Das betrifft dann neben den Vielfliegern unter den Passagieren im Wesentlichen die Kabinen- und Cockpitcrew. Für die Mitarbeiterinnen der Fluggesellschaft stellt eine solche Kontamination dann einen Arbeitsunfall dar. Evtl. kommt auch eine Berufskrankheit in Betracht, die aber bislang noch nicht anerkannt ist. Ansprechpartner ist dann die zuständige Berufsgenossenschaft. Auch für die geschäftlich reisenden Passagiere kann eine Vergiftung an Bord eines Flugzeuges einen sog. Wegeunfall (und damit auch einen Arbeitsunfall) darstellen, für den dann ebenfalls die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft zuständig ist.
Bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Berufsgenossenschaft, gegen die Fluggesellschaft, ggf. gegen den Hersteller des Flugzeuges bzw. gegen die Unfallversicherung wegen eines sog. aerotoxischen Syndroms stehe ich Ihnen gerne zur Seite.
Lesen Sie auch mein Artikel unter "Aktuelles" zu Ansprüchen bei Fume-Events und zum aerotoxischen Syndrom.