Entziehung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt mit E-Roller?
Aus dem Verkehrsstrafrecht:
Vorbemerkung: Alkohol und Straßenverkehr vertragen sich nicht. Beim Auto ist das wohl jedem klar. Beim Fahrrad wissen das schon deutlich weniger Menschen. Ein Blick ins Gesetz hilft da weiter: Wer ein Fahrzeug (und dazu gehören auch Fahrräder) führt, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol oder Drogen dazu nicht sicher in der Lage ist, begeht eine Straftat nach § 316 StGB (und ggf. nach § 315c StGB, wenn teure Sachen oder Personen gefährdet werden). Während beim Kraftfahrzeug die Promillegrenze für die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille liegt, beträgt sie beim Fahrradfahren 1,6 Promille.
Aber wie ist das bei E-Rollern?
Für E-Roller gilt da erstmal nichts anderes. Natürlich handelt es sich auch bei einem E-Roller um ein Fahrzeug und damit kann die Strafbarkeit von § 316 StGB gegeben sein.
Aber wie sieht es mit der Entziehung der Fahrerlaubnis aus?
Damit ein Richter nach einer Trunkenheitsfahrt vorläufig die Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO entziehen darf, muss das geführte Fahrzeug mit einem Kfz vergleichbar sein.
Das Landgericht Göttingen hat im Jahr 2022 entschieden, dass für eine Trunkenheitsfahrt auf einem E-Roller die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden kann. Die Vorinstanz am Amtsgericht sah das noch anders.
Auch das Amtsgericht Frankfurt a. M. hatte mit Urteil vom 16.06.2020 (Az. 661 Js 59155/19) entschieden, dass bei einer Trunkenheitsfahrt (hier mit 1,13 Promille auf einem E-Roller) von der Regelvermutung des § 69 Abs.2 StGB abgewichen werden könne und von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen. Das AG Frankfurt a.M. hat dabei darauf abgestellt, dass der E-Roller sich erheblich von Kraftfahrzeugen sonstiger Art unterscheide. Um ihn zu fahren, bedürfe es keiner Fahrerlaubnis. Der Roller wiege nur 20-25 kg und man könne mit diesem Fahrzeug nicht mehr als 20 km/h fahren; selbst mit einem Fahrrad seien höhere Geschwindigkeiten möglich. Es sei auch keine Helmpflicht angeordnet. Auch daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber das Fahren mit einem E-Roller anders beurteile als das Fahren mit einem Pkw.
Anders entschied aber wie gesagt das Landgericht Göttingen in seinem Beschluss vom 10.06.2022 (Az. 2 Qs 18/22): Danach sei ein E-Scooter entsprechend als ein Kraftfahrzeug und gerade nicht wie ein Fahrrad einzustufen. Dem Fahrer, der mit 1,84 Promille mit einem E-Scooter auf der Straße unterwegs war, wurde deshalb die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO vorläufig entzogen.
Voraussetzung dafür sei, dass der E-Roller wie ein Kraftfahrzeug einzuordnen ist. Das Landgericht Göttingen stellte unter anderem darauf ab, dass eine Ausnahmeregelung, wie sie für Pedelecs ausdrücklich geschaffen wurde, die nicht als Kraftfahrzeuge gelten, es für E-Scooter gerade nicht gebe. Bei E-Rollern handle es sich nämlich um vollmotorisierte Fahrzeuge, die ohne Einsatz von Körperkraft bewegt werden. Während bei Fahrrädern und Pedelecs die körperlichen Fähigkeiten des Fahrers und seine Kräfte einen entscheidenden Faktor für die erreichbaren Geschwindigkeiten darstellten, könne ein E-Scooter unabhängig von diesen Fähigkeiten jederzeit seine Höchstgeschwindigkeit erreichen.
Schlechte Nachrichten also für Trunkenheitsfahrten mit einem E-Roller. Es droht also die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Allerdings bleiben die Promillegrenzen umstritten:
Experten forderten auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar im Januar 2023 die Anhebung der Grenze auf 1,6 Promille. Die Experten argumentieren dabei wie die Richter in dem dargestellten Urteil des AG Frankfurt a.M.. Danach sei der E-Roller dem Fahrrad nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich dem Fahrrad näher als einem Kraftfahrzeug. Letztendlich entschied die Mehrheit anders, die Promillegrenzen sollen nicht angetastet werden.
Es bleibt aber dennoch spannend und bis dahin gilt: Alkohol im Straßenverkehr ist keine gute Idee.
Bei Fragen zum Verkehrsstrafrecht oder -ordnungswidrigkeitenrecht wenden Sie sich an: Rechtsanwalt Axel Höper aus Kiel.